[Rezension] Peter Pan Schmuckausgabe


James Matthew Barrie: Peter Pan – illustriert von Tatjana Hauptmann


Rezensionsexemplar, Werbung

 

 

★★☆

 

 

Infos


Aus dem Englischen von Christiane Buchner und Martina Tichy 
Diogenes Verlag, Zürich 2016.
208 S. , Ab 4 Jahren zum Vorlesen geeignet
978-3-257-01189-0
€ (D) 34.00


Alle Kinder werden erwachsen – bis auf eines. Die Hauptfigur aus dem gleichnamigen Roman „Peter Pan“ ist seit seiner Erscheinung im Jahr 1911 eine der berühmtesten Figuren der Weltliteratur und Ausgangspunkt vieler Adaptionen. Der Kinderbuchklassiker des schottischen Schriftstellers und Dramatikers James Matthew Barrie erscheint in der vorliegenden Ausgabe vom Diogenes Verlag als Schmuckausgabe im Schuber und wurde von der in Wiesbaden geborenen Illustratorin Tatjana Hauptmann mit über 50 Zeichnungen geschmückt. 


Inhalt


Peter Pan ist der Anführer der verlorenen Jungs, die mit ihm zusammen auf einer fiktiven, magischen Insel namens Nimmerland leben. Mit Tinkerbell, seiner kleinen Fee, fliegt er auf Streifzügen durch das nächtliche London und kommt so auch an dem Haus der Familie Darling vorbei. Die drei Kinder der Familie – Wendy, Michael und John – sind von dem fremden, dahin schwebenden Jungen fasziniert und begleiten ihn schließlich nach Nimmerland. Dort soll Wendy in die Mutterrolle der verlorenen Jungs schlüpfen und Geschichten erzählen. Die Kinder bestehen eine Reihe von Abenteuern gegen Peter Pans Erzfeind Captain Hook, bevor die Geschwister Heimweh verspüren und den Wunsch äußern, wieder zu ihren Eltern zurückzukehren.

 

Kritik


Die Schmuckausgabe widmet sich dem ungekürzten Originaltext „Peter and Wendy“ von 1911, der eine Ausformulierung des ursprünglichen Bühnenstückes (1904) ist, und wurde von Christiane Buchner und Martina Tichy ins Deutsche übersetzt.

Das grundlegende Thema der Geschichte ist Peter Pans unveränderliche Erscheinung und der fehlende Alterungs- bzw. Veränderungsprozess, dem alle anderen Menschen ausgesetzt sind. Dadurch wird Peter zu einem Symbol für Kindlichkeit, Unschuld und Sorglosigkeit. Junge Rezipienten können sich stark mit ihm identifizieren und haben wie die Darling-Geschwister großen Spaß daran, in eine Phantasiewelt zu tauchen und Peters kühne Abenteuer zu verfolgen. Indianer, Piraten, Tierwesen, Feen und das Fliegen stellen dabei wiederkehrende Motive der Geschichte dar.

Der vorliegende Prachtband ist mit über 50 Zeichnungen in unterschiedlicher Größe geschmückt, welche die sehr ausführliche Textfassung begleiten. Halbseitig, ganzseitig und doppelseitig bebildern die Illustrationen von Tatjana Hauptmann den Kinderklassiker. Selbst auf den Seiten, wo keine großflächig ausgelegten Szenen dargestellt werden, sind kleine thematisch passende Motive zwischen dem Text und am Rand zu finden wie Gegenstände, Feenwesen oder phantastische Pflanzen aus Nimmerland.

Tatjana Hauptmann ist als deutsche Illustratorin bekannt. Nach einem Grafik-Studium zeichnete sie schon Mainzelmännchen für das ZDF und viele weitere Bilderbücher, zu denen u.a. Ein Tag im Leben der Dorothea Wutz, Tom Sawyer und Huckleberry Finn, Die Verwandlung und Das große Märchenbuch zählen.

Für die Peter Pan Ausgabe hat sie Aquarellfarben als grundlegende Zeichentechnik gewählt. Auf diese Weise existieren ineinander überlaufende Farbflächen und feine Striche und Konturen nebeneinander und bilden – dem Wortlaut ihres Verlages zu folgen – „träumerisch-verspielte Illustrationen in rauschender Farbenpracht“.

Peter Pan wird als ein feenähnliches Wesen im Blättergewand dargestellt, während Captain Hook und seine Piraten sehr maskenähnliche, groteske Gesichtszüge haben, die an Fratzen erinnern. Meinem persönlichen Geschmack zu folgen, hätten die Gesichter aller Figuren jedoch etwas weichere, sanftere Züge haben können. Die Darling-Geschwister kontrastieren mit den Verlorenen Jungs, da sie in ihren Nachtgewändern verhältnismäßig unauffällig dargestellt werden, während Peters nicht alternde Schützlinge mit ihren zerzausten Haaren, ihren Speeren und fellartigen Gewändern das Aussehend von kleinen verwilderten Wesen annehmen.

Die Landschaft der Insel hebt sich auch malerisch von den strengen Konventionen des alten Londons ab. Nimmerland erweckt den Anschein einer abenteuerlichen, fantasiereichen Welt mit teilweise chaotischen und schräg zueinander angehäuften Elementen, während die Zeichnungen von Londons Häusern und Straßen sehr strukturiert, gradlinig und proportional sind. In den Landschafts- und Szenenbildern lassen sich bei genauer Betrachtung einige Kleinigkeiten entdecken wie z.B. ein übergroßes Windrad als Antrieb des Piratenschiffes oder kleine Tiere im Dickicht des Dschungels.

Durch die kunterbunte Zusammenmischung aller möglichen Farbtöne verschmelzen die Bilder zu einer einzigen Farbenpracht. Besonders blaue und lila Farbtöne geben den Bildern eine Grundstimmung, doch rote, gelbe, grüne und gelbe Anteile laufen ineinander über und bewirken, dass sich die Farben gegenseitig erstrahlen lassen. Es scheint fast, dass einige Farben auf den ersten Blick nicht harmonieren und sehr gegensätzlich sind, doch durch diese Kontraste (u.a. durch Komplementärfarben hervorgerufen) verstärken sie sich und wirken stellenweise fast so grell wie Neonfarben. Besonders der Himmel und die Wasseroberflächen wirken durch diese Farbkombinationen sehr unrealistisch, d.h. so phantastisch und traumhaft wie Nimmerland nun einmal ist.

Fazit


„Peter Pan“ ist ein zeitloser Kinderklassiker, der seit Generationen von Eltern geschätzt und von Kindern geliebt wird. Die vorliegende Diogenes-Ausgabe punktet durch die ausführliche Textfassung, die schmückenden Illustrationen, den gebundenen Leineneinband mit goldener Prägung, das große Format, das feste Papier und dem stabilen, illustrierten Schuber.

Die Einordnung des Werks als „Prachtausgabe“, der lange Text und der recht hohe Preis lassen wohl eher an ein Sammelstück für Erwachsene denken, doch auch Kleinkinder ab 4 Jahren werden sich beim Vorlesen an den Illustrationen erfreuen, die das Zuhören erleichtern und definitiv in erster Linie Kinder ansprechen. Das Buch überzeugt v.a. mit dieser kindlichen Darstellungsweise und den zahlreichen farbenfrohen Abbildungen.

Da der Text zwar lang, aber in recht großer Schrift gedruckt ist, richtet er sich an LeserInnen von 8-10 Jahren. Fraglich bleibt, ob man einem Kind eine solch hochpreisige Ausgabe kaufen möchte. In Bezug auf Haptik und der Ästhetik spricht aber nichts dagegen, diesen illustrierten Band auch Kinderhänden zu überlassen.





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